Im zweiten „Corona-Jahr“ ist das Thema Home Office schon weit verbreitet. Im Fokus der vorliegenden Studie liegt die psychische Gesundheit im Home-Officevon Mitarbeiter*innen, die im Home Office arbeiten.
Inhaltsverzeichnis
Ausgangslage Home-Office 2021
Ziel der Studie
Ein weiteres Ziel der Studie ist ein Messinstrument für das Positive Self-Leadership (gesundheitsförderliche Selbstführung) zu testen und weiter zu entwickeln. Gleich ein Spoiler vorweg: Dies kann aufgrund der guten Messwerte (Cronbach’s α der Einzelskalen zw. 0.76 bis .89) als gelungen bezeichnen. Weiters wurde die acht PERMA-SL-Faktoren mit Messinstrumenten zu beruflicher Sinnerfüllung (ME-Work), zu Burnout (MBI) und zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen verglichen.
Wer jetzt neugierig auf die eigenen Werte der Selbstführung ist, kann dies hier gleich ausprobieren – inkl. Sofortauswertung!
Beschreibung der Stichprobe
An der Studie nahmen insgesamt 136 Personen teil, davon konnten 87 in der Auswertung aufgenommen werden. Die restlichen 49 Datensätze waren entweder nicht vollständig oder wurden nicht ernsthaft ausgefüllt.
Von den Teilnehmer*innen waren ca. 65 (75%) unselbständig beschäftigt (d.h. in einem Angestelltenverhältnis) und 22 (25%) selbständig bzw. unternehmerisch tätig.
Branchen: Die Angestellten verteilten sich auf die Branchen Beratung (10%), Bildungswesen (17%), Dienstleistung (7%), Handel und Finanzwesen (10%), Handwerk & Produktion (11%) und IT & Medien (10%). Die Selbständigen waren zu fast ausschließlich in der Beratung (77%) tätig, einige in der Dienstleistung (15%) , Handwerk (4 %) und in der IT (4%).
Unternehmensgröße: Gut die Hälfte der Befragten arbeiten in Unternehmen mit weniger als 300 Mitarbeiter*innen, sowie je ein Viertel auf KMUs mit bis zu 1000 Mitarbeiter*innen und ein Viertel mit großen Unternehmen mit über 1000 Mitarbeiter*innen.
Altersverteilung: 20 % bis 39 Jahre, ca. 70 % zwischen 40 und 60 und ca. 10% über 60.
Geschlechtsverteilung: ca. 60 % weiblich, 40 % männlich
Erhebungszeitraum: September bis Oktober 2021.
Home Office Typ
Zwei Drittel der Befragten können eigenverantwortlich entscheiden, wann sie im Home-Office arbeiten. Einige (7%) vereinbaren dies in Absprache mit ihren Kollegen*innen. Etwa ein Viertel (28%) können nach Genehmigung der Teamleitung im Home-Office arbeiten.
Bei einem kleinen Teil ist Home-Office nur in Ausnahmefällen, wie z.B. einem Lockdown, erlaubt. Hier herrscht nach wie vor die Präsenzkultur: „Nur wer anwesend ist, arbeitet auch.“
Home-Office Raum
Die meisten der Befragtn haben die Möglichkeit in einem eigene Arbeitszimmer (bzw. Büro) zu arbeiten (62%). Etwa ein Viertel arbeitet im Wohnzimmer oder der Küche (28%), und einige im Schlafzimmer (6%).
Home-Office Zukunftsmodell
Etwa ein Viertel der Befragten arbeitet derzeit ein bis zwei Tage im Home-Office (25%), 12% drei Tage, 29 % vier Tage und das restliche Drittel ist aktuell komplett im Home-Office (34%).
Bei der Frage nach dem gewünschten Zukuftmodell zeigt sich eine ähnliche Verteilung. Knapp die Hälfte wünschen sich vier bis fünf Home-Office-Tage. Etwa 40 % finden eine 50:50 Lösung bzw. flexible Vereinbarungen als wünschenswert. Nur wenige (5%) finden einen Home-Office-Tag als ideal.
Psychische Gesundheit im Home-Office: Gesunde Selbstführung
Zur Messung der psychischen Gesundheit wurde das Modell des Positive Self-Leadership herangeszogen, dass ich in meinem Buch ausführlich beschrieben habe. Die acht Faktoren sind:
- Positive Emotionen
- Engagement und Flow
- Relationships
- Meaning und Purpose
- Accomplishment
- Selbstbestimmung
- Optimistic Coping
- Gesundheit
Als besonderes „Goodie“ erhielten die Umfrageteilnehmer*innen am Ende ihre persönlichen PERMA-SL-Werte. Diese wurden in Prozente umgerechnet, um einen besseren Praxisbezug herzustellen.
Hier können Sie den Test ausprobieren!
00 bis 25 %:
Erlebnisse und Aktivitäten auf diesen Faktor sind sehr niedrig ausgeprägt: gar nicht bis max. einmal pro Monat. Auf diesem Faktor haben Sie durch Verbesserungspotenzial. Vielleicht reduzieren Sie die eine oder andere Aktivität auf einem Faktor mit hohen Werten. Suchen Sie nach Ideen und Aktivitäten, wie Sie diesen Faktor stärken können. Ziel ist in den Durchschnittbereich zu kommen.
26 bis 50 %
Erlebnisse und Aktivitäten auf diesen Faktor sind eher niedrig ausgeprägt: zwei bis dreimal pro Monat. Sie machen einige Sachen schon ganz gut. Ihre Selbsteinschätzung ist im unteren Durchschnittsbereich. Überlegen Sie wie Sie diesen Faktor etwas stärken können, und vor allem was Sie schon machen.
51 bis 75 %
Erlebnisse und Aktivitäten auf diesen Faktor sind eher hoch ausgeprägt: zumindest einmal pro Woche. Das läuft ja schon ganz gut! Ihre Selbsteinschätzung ist im oberen Durchschnittsbereich. Versuchen Sie dieses hohe Niveau zu halten. Reflektieren Sie dazu regelmäßig, was gut läuft – oder neudeutsch „What went well“ (Eselbrücke WWW).
76 bis 100 %
Erlebnisse und Aktivitäten auf diesen Faktor sind sehr hoch ausgeprägt: mehrmals pro Woche bis täglich. Ihre Selbsteinschätzung schaut wirklich fantastisch aus. Achten Sie darauf, was Sie dorthin gebracht hat UND was Ihnen hilft auf diesem hohen Niveau zu bleiben – also „What went well“.
PERMA-SL: Gesunde Selbstführung (Positive Self-Leadership)
Die Mittelwerte (Skala von 0 bis 5.0), die Mittelwerte in Prozent (0-100%) sowie die Standardabweichungen der acht PERMA-SL-Skalen sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Interssant dabei ist, dass sich bei den Skalen Relationship (der „Beziehungsfaktor“) und beim Accomplishment (hier geht´s ums bewusste Vollenden von Aufgaben) die niedrigsten Mittelwerte zeigten.
Mit den gewonnenen Daten konnte ich einen Selbsteinschätzungsfragbogen zu den acht Faktoren der gesundheitsförderlichen Selbstführung entwickeln (Cronbach’s α der Einzelskalen zw. 0.76 bis .89).
PERMA: Gesunde Führung (Positive Leadership)
Ebenso wurde die fünf Faktoren des PERMA-Modells getrent berechnet, da dies in den folgenden Vergleichen zusätzlich miteinbezogen wird.
Sinnvolles Arbeiten – Berufliche Sinnerfüllung
Die wohl bekannteste Definition der beruflichen Sinnerfüllung stammt von Tatjana Schnell. Eine kompakte Zusammenfassung findet man in Ihrem Buchartikel „Von Lebenssinn und Sinn in der Arbeit“ im Fehlzeitenreport 2018. Ebenso empfehlenswert ist ihr Standardwerk „Psychologie des Lebensinn“.
In der vorliegenden Studie wurde die deuschsprachige Version des „ME-Work“ verwendet. In der Korrelationsmatrix zeigen sich durch die Bank signifikante Zusammenhänge von r>0.6. Das heißt, dass hohe PERMA-SL-Werte in einem hohen Zusammenhang mit dem beruflichen Sinnerleben stehen.
Eine interessante Ausnahme bildet die einzig negativ gepolte Skala „Sinnleere“. Hier zeigten sich keine (negativen) Zusammenhänge beim Engagement, der Selbstbestimmung und dem Optimistic Coping. Das könnte heißen, dass z.B. Selbstbestimmtes Arbeiten alleine nicht zum veringertem Erleben von Sinnleere beiträgt. Ich bin hier in er Formulierung eher vorsichtig, da die Fallzahlen (N=87) doch eher gering sind. Dies könnte jeoch eine interessante Hypothese für weiter Forschung darstellen.
Burnout-Prävention
Bei der Frage nach der psychischen Gesundheit taucht stets das Thema Burnout auf. Daher wurde auch ein Screen der drei Burnoutfaktoren nach Maslach abgefragt.
In der Korrellationsmatrix bezeihen sich die Abkürzungen auf folgende Faktoren:
- MBI_BE = Berufliche Erschöpfung. Die negative Korrelation deutet auf die präventive Wirkung der positiven Selbstfühung hin.
- MBI_DP = Depersonalisierung. Ebenso wirkt positive Self-Leadership präventiv gegen zynische Haltung und Verhalten.
- MBI_LS = Persönliche Leistungseinschätzung. Dieser Faktor ist positive formuliert. Hohe Werte wirken daher präventiv gegen Burnout. Dies korrelliert auch hoch mit der PERMA_SL Gesamtskala.
PERMA-SL und externe Ansprechpersonen
In der Umfrage wurden auszugsweise Items aus dem Job-Work-Design Survey übernommen. Damit wurden die Aspekte Tätigkeitspielraum, Rückmeldung & Feedback, die Abhängigkeit von anderen Personen (z.B. Kollegen*innen) sowie die Abhängigkeit von externen Personen ausserhalb der eigenen Organisation abgefragt.
In der Korrellationsmatrix sind vor allem die letzen beiden Spalten interessant. Als Statistiker bzw. Forscher möchte ich anmerken, dass ich aufgrund der geringen Fallzahlen (<100) nur von Hypthesen sprechen möchte. Hierbei geht´s um die Abhängigkeit von anderen und die psychische Gesundheit.
Ein gutes Zusammenspiel mit Kollegen*innen (auf die man angewiesen ist) scheint sich positiv auf die Motivation (PSL_E = Engagement & Flow) und auf die optimistische Bewältigungsstrategien (PSL_OC = Optimistic Coping) auszuwirken. Interessanterweise spielen gerade diese beiden Skalen bei der Zusammenarbeit mit exterenen Personen (z.B. Kunden*innen, Zulieferer, Projektpartner*innen) keine Rolle. Auch hier bietet sich an, dies in weiterer Forschung zu vertiefen.
Fazit:
Einige Hypothesen sind in der Umfrage aufgetaucht, die Ansatzpunkte für zukünftige Forschung sein könnten. So gilt es näher zu betrachten wie sich die Abhängigkeit zu internen und externen Personen auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.
Ebenso wird sich in Zukunft zeigen, was uns dabei unterstützen kann, Sinnleere zu vermeiden und die berufliche Sinnerfüllung zu stabilisieren und zu verbessern.
Das wichtigste Ergebnis der Studie: Es konnte ein Fragebogen mit 32 Items zu den acht Faktoren der gesunden Selbstführung, des Positive Self-Leadership, konstruiert werden. Dieser Fraegbogen steht Ihnen ab sofort im Testcenter zur Verfügung!