Gratifikationskrise

Wenn die (wahrgenommenen) Anforderungen viel höher als die (wahrgenommen) Belohnungen sind, spricht man von einer Gratifikationskrise, welche durch das ERI-Modell beschrieben wird.

Erklärvideo: Gratifikationskrise (ERI-Modell)

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Wie entsteht eine Gratifikationskrise?

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Auf der einen Seite geht’s dabei um die Anforderungen, um die Efforts, die durch den Job gegeben sind, und auf der anderen Seite um die Belohnungen, die Rewards. Das können neben dem Gehalt auch die wahrgenommenen Belohnungen sein. Sind diese in Balance, so wie hier auf der ersten Folie dargestellt, ist wenn man so schön sagt „alles im grünen Bereich“. Sind die Belohnungen sehr hoch und die Anforderungen sehr niedrig, wird einem möglicherweise langweilig. Sind die Efforts weitaus höher als die Rewards spricht man eben von einer Imbalance, so wie wir das jetzt hier dargestellt haben.

Was hat eine Effort-Reward-Imbalance mit einer Gratifikationskrise zu tun?

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Was könnte das im Detail sein, das zu den Efforts dazu gehört. Hier ein paar Beispiele: das kann Zeitdruck sein, Unterbrechungen, ein hoher Verantwortungsbereich – und könnte sagen „vielleicht ein zu hoher Verantwortungsbereich – und sehr beliebt auch eine zu hohe Arbeitsmenge. Rewards können natürlich gehaltsmäßige finanzielle Belohnungen sein oder auch soziale, im Sinne von Anerkennung, Wertschätzung und auch welche die den Arbeitnehmerschutz betreffen, wie die Arbeitsbedingungen oder die Arbeitsplatzsicherheit. Wobei die Arbeitsplatzsicherheit hier gleich in einem doppelten Sinn zu verstehen ist:
Einerseits Arbeitsplatzsicherheit im Sinne, dass einem nichts am Kopf fällt oder wie man in Wien sagt: „Besser ois a Sta am Schädl!“ (Es ist besser, als einem ein Stein auf den Kopf fällt). Kurz gesagt: gute Schutzausrüstungen.
Arbeitsplatzsicherheit die zweite:  Dass man davon ausgehen kann, dass man den Arbeitsplatz in einem Jahr noch gibt.

Wie wird eine Gratifikationskrise definiert?

Also genauer gefragt: Was versteht man unter einer Gratifikationskrise? Der Begriff der Gratifikation bedeutet, so viel wie Belohnung oder im Arbeitskontext auch zusätzliche Belohnung, Eine Krise ist es dann, wenn man nichts bekommt oder im gefühlter Weise zu wenig. Dann spricht man eben von einer Imbalance, einem Ungleichgewicht. Kritisch wird es, wenn die wahrgenommenen Anforderungen um das 1,5-fache höher sind als die wahrgenommen und Belohnungen und Ressourcen sind. Das ist zahlreichreiche Forschung im belegt, auch Nachfolgeforschungen gehen in die gleiche Richtung. Es wurden schon zahlreiche Fragebögen in verschiedenen Sprachen vorgelegt, und die Ergebnisse deuten in die gleiche Richtung. Wir müssen uns vorher aber noch einen dritten Begriff anschauen, der hier ins Spiel kommt, nämlich das Overcommitment. Die Frage dazu: Was versteht man unter Overcommitment?

Wie wird Overcommitment definiert?

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Commitment könnte man am ehesten übersetzen mit Über-Engagement. Schauen uns das beim Anforderungs-Belohnungs-Modell an. Beim ERI-Modell stehen extrinsische Faktoren im Mittelpunkt wie z.B. Anerkennung in Form von Feedback durch die Vorgesetzten oder auch gute Arbeitsbedingungen. Beim Über- Engagement, oder wie sie original heißt Overcommitment, sind es vor allem innere Faktoren. Zu den intrinsischen Faktoren zählen unter anderem die Verausgabungsbereitschaft oder das Perfektionsstreben sowie mangelnde Distanzierung. Distanzierung heißt, ich kann gut die berufliche Rolle von den eigenen Problemen der privaten Person unterscheiden.

Was ist Overcommitment?

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Mit dem Overcommitment versucht man die hohen Anforderungen – oder vor allem die zu hohen Anforderungen -zu bewältigen. Insgeheim erhofft man dadurch ein höheres Maß an Belohnung zu bekommen. Im Vergleich sind in der Grafik die Belohnungen viel zu klein, und die Anforderungen viel zu hoch. Das Maxl – hier in orange dargestellt – versucht die Anforderungen zu stemmen, und es durch eigenes individuelles Zutun zu lösen. Zusammengefasst: Es ist ein individueller Lösungsversuch durch übermäßige Verausgabung. Was könnte helfen? Dass man auch die rechte Seite, die Belohnung Seite, etwas beschwert, hier grafisch dargestellt als Dankeschön-Paket in Form von Feedback, zusätzlichen Boni und so weiter und sofort. Passiert dies allerdings nicht, dann kommt es dazu, dass die wahrgenommenen Anforderungen viel größer sind als die wahrgenommenen Belohnungen. Hier das Wörtchen „wahrgenommen“ jeweils links und rechts noch in Klammer. Dies ist vor allem dann interessant, wenn ich nur alleine bin. Man macht die so lange, bis man nicht mehr weiterkann. Bis ich eingehe, also die Last nicht mehr stemmen kann. Es ist wie ein Gewichtheber, der unter dem so hohen Gewicht zusammenbricht. Dann schlägt unsere Waage nach nichts aus, und ein Erschöpfungsprozesses ist eingeleitet. Dieser kann im Endeffekt mit einem Burnout enden – mit allen bekannten Folgen wie im z.B. Langzeitkrankenständen.

Wie erkenne ich Overcommitment? Wie erkenne ich Overcommitment bei meinen Mitarbeiter*innen und Kollegen*innen?

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Dies erkennt an typischen Aussagen von Betroffenen:
Ich habe hohen Zeitdruck in der Arbeit.
– Ich denke schon beim Aufwachen an Arbeitsprobleme.  
– Ich kann nachts nicht schlafen.
– Die Arbeit kreist abends im Kopf herum.
– Das Abschalten zu Hause fällt mir schwer. – oder
– Ich opfere mich sehr für meine Arbeit.

Welche Folgen haben Overcommitment und eine Gratifikationskrise?

Die Folgen von Overcommitment und einer Effort-Reward-Imbalance sind z.B. eine dysfunktionale Bewältigungs- und Lösungsstrategie, auf individueller Ebene kann es zu Suchtproblematiken kommen, z.B. Arbeitssucht (Workoholism) aber auch Sucht im Sinne von „Ich versuche Probleme durch Alkohol oder sonstige Drogen zu lösen.“ Weiters: Latente Grübel wegen nicht gelöster Arbeitsprobleme und zu hohen Anforderungen, Übermäßige Besorgtheit und Gereiztheit (oft im Zusammenhang mit hohem Arbeitspensum)
In Folge kommt es zu einer höheren Arbeitsunzufriedenheit. Die psychische Erschöpfung, aber auch physische Erschöpfung wird verstärkt, und das Burnout-Risiko wird dadurch erhöht. Zu einer deutlichen Erhöhung kommt es, wenn beide Effekte gleichzeitig auftreten. Also eine Effort-Reward-Imbalance und ein Overcommitment gleichzeitig: Dann steigen die „Chancen“ auf ein Burnout deutlich. Die Folge ist erhöhter Präsentismus. Präsentismus ist: „Man geht krank in die Arbeit.“ Kommen wir zu Lösungsansätzen.

Welche Präventionsmaßnahmen gibt es gegen Gratifikationskrisen?

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Hierbei möchte ich einen Begriff vorschlagen: Das Balanced-Commitment.  Eine wesentliche Voraussetzung, dass es zu einem Balanced-Commitment kommen kann, ist das die Arbeitsbedingungen passen. Die Anforderungen sollen mit den Belohnungen und Ressourcen in Einklang stehen. Das heißt, dass das die Arbeit die man hat in der Zeit auch schaffbar ist, und dass man die Qualifikation dazu hat, und dass es ein gutes Sozial- und Organisationsklima gibt, und dass ich die habe das richtigen Werkzeuge habe und noch dazu die Prozesse und Zeitvorgaben sind gut abgesteckt sind. In der Arbeitspsychologie gibt es den Begriff der psychischen Belastungen. In Österreich und auch in Deutschland ist es gesetzlich verankert – v.a. in der Unternehmerfürsorgepflicht, sondern auch im Arbeitnehmerinnenschutzgesetz (ASchG). Hier gibt’s eben das ASchG und im Speziellen spreche ich hier von der „Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen“. Auf der anderen Seite ist das einzelne Individuum – der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin – dafür verantwortlich, dass man „auf sich selbst schaut“ und eben nicht ins Overcommitment geht. Dabei unterstützen, und man sagt „Okay am Wochenende werden jetzt keine Mails mehr beantwortet.“ und „Für unser Unternehmen ist es wichtig, dass Du Zeit mit Deiner Familie verbringst.“ und „Du Zeit zum Abschalten für deine Hobbys hast.“

Wie hilft ein Balanced Commitment?

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Wenn man zum Balanced-Commitment kommt, wäre das die Ideal-Variante. Also um ein Burnout zu verhindern, wäre es gut dass ich keinen übermäßigen Perfektionismus, keine übermäßige Verausgabungsbereitschaft entwickle und ebenso eine gute Distanz zwischen Job und Privatleben entwickele. Wenn ich das im Griff bekomme, habe ich schon eine gute Strategie um erfolgreich einen Erschöpfungsprozess und in weiterer Folge ein Burnout zu verhindern.

Quellen

Montano, D., Peter, R. (2021). The Causal Structure of the Effort-Reward Imbalance Model and Absenteeism in a Cohort Study of German Employees. Occup Health Sci 5, 473–492. https://doi.org/10.1007/s41542-021-00097-2

Yuan, Z. et al. (2021). Burnout of Healthcare Workers Based on the Effort-Reward Imbalance Model: A Cross-Sectional Study in China. International Journal of Public Health. 66. 599831. DOI: 10.3389/ijph.2021.599831.

Siegrist, Johannes. (2017). The Effort–Reward Imbalance Model. DOI: 10.1002/9781118993811.ch2.

Siegrist, J. (1996). Soziale Krisen und Gesundheit. Hogrefe, Göttigen.

Siegrist, J. (1996). Adverse health effects of high-effort/low reward conditions. Journal of Occupational Health Psychology, 1, 27 – 41.

Siegrist, J. (2000). The effort-reward imbalance model. Occupational Medicine: State of the Art Reviews, 15(1), 83 – 87.

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1 thought on “Gratifikationskrise”

  1. Ein sehr guter Vortrag!! Eine kleine Anmerkung: Für eine Gratifikationskrise können natürlich die Schwächen des Individuums (Perfektionismus, Overcommittment etc.) sehr wichtig sein. Doch häufig ist auch der AUFWAND (Effort) bei einer ausgeführten Arbeit zu hoch. Ein Individuum kann z.B. viele oder sogar alle Anforderungen eines Arbeitsplatzes gut erfüllen, aber der AUFWAND (lange Ausbildungszeit, lange Arbeitszeiten etc.) ist 1.5 fach grösser als der Ertrag/Belohnung (Gehalt, Wertschätzung). Zum Beispiel ein Hausarzt mit langer Ausbildungszeit (11 Jahre) und langen Arbeitszeiten (60 Stunden pro Woche) bekommt im staatlichen Gesundheitswesen ein mickriges Gehalt im Vergleich zu ähnlich hoch ausgebildeten AkademikerInnen auf dem freien Markt. Dafür muss der Arzt nicht zwingend perfektionistisch oder overcomitted sein bei seinem Versorgungsauftrag. Auch die Arbeitssituation kann primär entscheidend sein, wie im Vortrag auf den Folien aufgeführt.
    Die Gratifikationskrise ensteht vor allem dort, wo trotz weiterer Qualifikation (Erfahrung, Weiterbildungen) keine weiteren Aufstiegschancen möglich sind oder gar die zukünftige Karriere eher pessimistisch betrachtet werden muss (um beim Hausarzt zu bleiben: z.B. der Spardruck mit Gehaltskürzungen im Gesundheitswesen). Vielen Dank an Herrn Epp für den tollen Vortrag, dieser ist sehr gut gemacht!!

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