In manchen Unternehmen „arbeitet“ man nur, wenn man es von außen beobachten kann. Sprich: Man schaut beschäftig aus. Ruht man jedoch in sich selbst könnte dies als teilnahmslos und untätig interpretiert werden. Gelassenheit darf nicht mit Gleichgültigkeit oder Wurschtigkeit verwechselt werden. Dazu passend drei Impulse für den (Berufs-)Alltag.
Inhaltsverzeichnis
1. Der Gelassenheitsautomat
Automaten sollen im Idealfall das Leben erleichtern. Manchmal hat man den Eindruck, dass es einfach darum geht die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen – „aus Effizenzgründen“. Einerseits erfreut man sich, dass man 24 Stunden am Tag Tickets für Bus und Bahn kaufen kann. Anderseits soll es schon vorgekommen sein, dass man an den mannigfaltigen Einstellungen gescheitert ist – Stichwort: welcher Tarif ist meiner und wo gilt welche meiner Ermäßigungskarten? Die Idee einer schnellen Kassa im Supermarkt finde ich ja nicht schlecht. Einmal wollte ich das auch Ausprobieren, bin jedoch daran gescheitert, weil ich nicht wusste, wie ich mein loses Gebäck ohne Strichkode einscannen kann. Apropos scheitern: Unlängst wollte ich in meinem Supermarkt meines Vertrauens die Pfandflaschen zurückgeben, und schob eine Flasche nach der anderen ein. Nach etwa drei bis vier Flaschen stoppte der Automat, piepse und forderte mich via Display auf das Personal zu rufen: „Automat voll. Bitte rufen Sie das Personal.“
Der freundliche Verkäufer kann und sah auf den Automaten, dann drehte er sich zu mir und fragte: „Haben Sie die Flaschen zu schnell rein gegeben?“ Da ich mich etwas ertappt fühlte, antwortete ich: „Ähmm … Nein, ich glaube nicht.“
Dann öffnete er den Automaten kurz, leerte den Behälter nicht und meinte zu mir: „Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.“ Ich fühlte mich ein wenig wie ein Volksschüler (D: Grundschüler). Eigentlich wartete ich nur bis der Automat sich wieder melden würde. Der gelassene Verkäufer schob jedoch seelenruhig eine Flasche nach der anderen ein: Er wartete bis das Licht anging, kurzes Drehen im Automat, lautes Plumpes, Flasche ist im Behälter, 3 Sekunden warten bis das Licht wieder anging, usw. Ganz locker schaffte er meine restlichen Flaschen, ohne dass der Flaschenbehälter voll wurde. Seitdem habe ich im Supermarkt einen neuen Freund: Den Gelassenheitsautomat, der mich zum ruhigen und gelassenen Handeln zwingt. Daraus ergibt sich die wunderbare Metapher: Wenn ich zu schnell bin, dauert es wirklich lange!
Tipps:
Überlegen Sie auf welche Alltagssituationen, sich diese Metapher übertragen lässt. Hier noch ein Beispiel:Wir wohnen am Stadtrand von Wien, fast schon ein wenig am Berg. Daher sind nicht alle Straßen so gut ausgebaut, und man muss auf den Gegenverkehr warten. Außerdem ist sowieso eine generelle 30er Zone (die leider nicht von allen eingehalten wird). Ich habe mir daher angewöhnt, die 30 km/h einzuhalten und vorausschauend auf den Gegenverkehr zu achten.
2. Weg vom Sofortismus, hin zur entschleunigten Kommunikation!
Den Begriff des Sofortismus geht auf Bernhard Pörksen zurück. Er mein damit sinngemäß, dass wir innerhalb von Millisekunden auf alles und jenes eine Antwort haben müssen. Nein müssen wir nicht:
- Wer sofort auf alles antwortet, kann sich nicht konzentriert und fokussiert einer Aufgabe widmen. Und wie wir bereits wissen, gibt es ohne Konzentration und Fokussierung auch kein Flow-Erleben. Außerdem zeigen Forschungen, dass man bis zu 20 Minuten braucht um wieder bei der alten Tätigkeit Anschluss zu finden. Aber selbst, wenn es nur 5 oder 10 Minuten sind, summiert sich dies über den Tag. Klar ist: Je komplexer eine Aufgabe, desto länger braucht man nach einer Unterbrechung wieder in den Flow zu kommen.
- Wer an sich selbst den Anspruch hat, auf alles und jenes sofort eine Antwort haben zu müssen, nimmt sich selbst die Chance auf eine bewertungsfreie Beobachtung und somit auch auf neue Erklärungsmodelle. Otto Scharmer würde sagen: „Man bleibt im Downloading stecken.“ D.h., man bleibt in den eigen vorgefertigten Denkmodellen hängen.
- Wer immer sofort antwortet, kann somit auch nicht gut zuhören. Die Möglichkeiten des Perspektivenwechsel und des empathischen Zuhörens fallen der Geschwindigkeit zum Opfer.
Ein Paradebeispiel aus dem Berufsleben ist der Umgang mit schriftlicher Kommunikation, sprich mit Emails. Man schreibt eine Email, und verfällt in hektischen Aktionismus, wenn nicht innerhalb einer Stunde eine Antwort da ist. Oder auch anders herum: Man bekommt ein Email, das Mailprogramm meldet sich, und man ist geneigt sofort zurück zu schreiben.
Tipps:
- Definieren Sie (zumindest für sich selbst) fixiere Emailzeiten (z.B. am Arbeitsbeginn oder am Arbeitsende, vor oder nach der Mittagspause, usw.). In einer abgeschwächten Form kann man Emails nur lesen, und später bzw. nur in ganz, ganz wichtigen Fällen sofort zurückschreiben.
- Kommunizieren Sie Emailöffnungszeiten nach außen. Informieren Sie Ihre Kollegeninnen über Ihr Vorhaben, oder schreiben Sie Ihre „Emailöffnungszeiten“ einfach in Ihre Signatur.
- Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, um klar zu kommunizieren, was Sie von Ihrem/r Kollegen/in brauchen. Einfache Merkregel: Ein Mail – ein Thema!
- Auch Ihnen ist das sicher schon passiert. Ein/e Kollegein schreibt Ihnen ein Email, und es nicht ganz klar, was diese jetzt von Ihnen für eine Antwort haben will. Sie nehmen die wahrscheinlichste Variante an, und schreiben ein ausführliches Email zurück. Antwort: „Vielen Dank für Deine Bemühungen, aber das wussten wir schon. Steht im weitergeleitenten Mail von XY …“.
- Wenn aus einem Email nicht erkennbar ist, was Ihr/e Kollege/in von Ihnen braucht, schreiben Sie das auch. Gelassenheit kann hier zu mehr Effizienz (!!!) führen, in dem Sie zurückschreiben: „Was brauchst Du jetzt genau von mir?“
- Planen Sie „deep work“ Phasen in den Sie konzentriert und fokussiert an wichtigen Aufgaben arbeiten können. Blockieren Sie diese Zeiten auch in Ihrem Kalender.
3. Serenity now! Mehr Gelassenheit!
Wie ich letztes Jahr den Abschnitt Positive Emotionen für mein Buch geschrieben habe, ist mir bei der Emotion „Heiterkeit und Gelassenheit“ bzw. Serenity im englischen Original eine Episode der Fernsehserie „Seinfeld“ eingefallen. Einer der Charaktere Frank Costanza (der Vater einer der Hauptfiguren George) ist exzentrisch und sehr schnell zu reizen; ein Choleriker wie er im Lehrbuch steht. In der Episode wird ihm von seinem Hausarzt eine Art Mantra mitgegeben, dass er sich in stressigen Situationen vorsagen soll. Dies macht er auch, aber eben nicht ruhig und gelassen sondern hektisch und lautstark. Im Laufe der Episode übernehmen mehrere Charaktere sein Mantra – bis schlussendlich gar nichts mehr klappt.
Falls Sie gerade ein paar Minuten Zeit haben, können Sie hier eine humorvolle Variante über den Umgang mit „Gelassenheit“ genießen: Serenity Now!!!
Verordnete Gelassenheit funktioniert nicht! Verordnete – und auch selbstverordnete – Gelassenheit braucht die entsprechenden Bedingungen. Dazu zählen Ruhe und Ausgeglichenheit im Inneren sowie eine ruhige, stressfreie Umgebung bzw. Situation im Außen.
Tipps:
- Probieren Sie es mit einer Meditation.
- Die „Loving Kindness Meditation“ von Barbara Fredrickson finden Sie hier.
Fazit
Ich hoffe Sie konnten sich von meinem Plädoyer für mehr Gelassenheit etwas mitnehmen. Denken Sie daran, dass Sie nicht alle Tipps auf einmal umsetzten müssen. Probieren Sie einfach einen nach dem anderen aus oder variieren diese.
Ich freue mich über Ihr Feedback, Beispiele sowie Tipps & Tricks im Kommentarfeld.
Keep on being well & doing good!
Ihr Gottfried Epp
PS: Zum Nachlesen – ein paar Passagen aus meinem Buch
Was versteht man unter den 10 Positiven Emotionen (nach Barbara Fredrickson)?
Für die positiven Emotionen gibt es einen wunderbaren Kompass von Barbara Fredrickson mit 10 Positiven Emotionen. Diese zehn positiven Emotionen wurden von ihr ausgewählt, weil diese am häufigsten vorkommen und am meisten Einfluss auf tägliche Leben haben. Wie schon ausführlich erläutert, geht es Fredrickson bei den positiven Emotionen um mehr als um nur „Spaß haben“. Happiness wird gerne mit Spaß haben oder auch glücklich sein übersetzt. Eine „Happyology“ suggeriert einerseits das ultimative Lebensziel („Ich will doch nur glücklich sein“), und andererseits die Kontextvielfalt des Glücksbegriffs. Im Fußball „ist der Ball zum Glück von der Stange ins Tor gegangen“ oder man „hatte zuerst kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“ Eltern verhübschen ihre Erziehungsratschläge damit: „Ich wäre so glücklich, wenn Du Dein Zimmer aufräumst.“ Die Reihe könnte man endlos fortsetzen, weil Glück und in weiterer Folge Spaß sowie Freude in diversen Kontexten eingesetzt werden kann. Ziel ist es eben nicht einen dauerhaften Strom aus den positiven Emotionen aufzubauen, sondern die positiven Emotionen bewusster wahrzunehmen und bewusster damit umzugehen. Es zählen nicht die einzelnen „Glücksmomente“, sondern es geht um die Stabilisierung einer langfristen, positiven Grundstimmung. Fredrickson (2009, 2011) verdanken wir auch, die konzeptionelle Präzisierung der 10 positiven Emotionen. Im Folgenden versuche ein bisschen auf die Feinheit bei den Übersetzungsmöglichkeiten von Englischen ins Deutsche einzugehen:
1. Freude (Joy)
2. Dankbarkeit (Gratitude)
3. Gelassenheit und Heiterkeit (Serenity)
4. Liebe & Verbundenheit (Love)
5. Interesse
6. Hoffnung (Hope)
7. Stolz (Pride)
8. Vergnügen (Amusement)
9. Inspiration
10. Ehrfurcht (Awe)
Was versteht man in der Positiven Psychologie unter Gelassenheit?
Eine weitere ruhigere Emotion ist die Gelassenheit. Wenn man mit dem aktuellen Augenblick zufrieden ist, und man möchte, dass alles so bleibt wie es gerade ist entsteht ein Gefühl der inneren Zufriedenheit und Gelassenheit. Manche Theoretiker meinen beim Gefühl der Gelassenheit passiert gar nichts. Möglicherweise passiert wenig von außen Beobachtbares. Gelassenheit findet im kognitiven Bereich statt. Nach einem anstrengenden jedoch lohnenden Tag Gartenarbeit in der Hängematte entspannen, nach einer Schneewanderung am Kachelofen erwärmen oder entspannt dem Meerrauschen lauschen sind nur einige Beispiele. Sie verdeutlichen den wichtigen Aspekt der Entspannung und das Genießen des Augenblicks. Durch das Genießen des Augenblicks, der aktuellen Situation findet eine Integration des Erlebten statt: „Ich möchte mehr von diesem Augenblicken erleben.“
Gelassenheit und innere Zufriedenheit helfen uns dabei heraus zu finden, was man wirklich möchte – zu priorisieren. Die Gelassenheit ist auch wichtig für Entwicklung der Resilienz, der psychologischen Widerstandskraft. Man lernt schwierige Situationen besser zu überstehen, da man weiß, dass diese punktuell und nicht generell sind.
Ein paar Gedanken zur Übersetzung: Diese Positive Emotion wird im Original serenity genannt, und manchmal auch mit Heiterkeit oder Zufriedenheit übersetzt. Beim Wort Heiterkeit schwingt auch „Spaß haben“ mit, das besser zur Emotion Vergnügen passen würde. Die Übersetzung ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Auch Zufriedenheit (im englischen Original satisfaction) könnte hier etwas missverständlich sein. Man denke nur an Begriffe wie Arbeitszufriedenheit oder Lebenszufriedenheit. Wenn man diesen Übersetzungen etwas ergänzt, nämlich innere Zufriedenheit oder Heiterkeit, wirkt es für mich wieder stimmig. Insgesamt gefällt mir die Übersetzung mit Gelassenheit am besten.