Die Inspiration zu diesem Beitrag entstand durch einen Aufruf zur Blogparade durch den Beitrag Change Management: Wie man ein Unternehmen erfolgreich verändert von Intrinsify.me. Ausgangspunkt bilden die Überlegungen zum konstruktivistischen Lernen, die vier Ebenen des Zuhörens im Sinne der Theorie U und andere NewWork Gedanken. Die Geschichte handelt von einem fiktiven Streitgespräch zwischen der Figuren Hannes und Thomas.
Warnhinweis: Manche Aussagen im fiktiven Dialog könnten ironisch gemeint sein, und müssen daher ernst genommen werden.
Vorgeschichte zum fiktiven Streitgespräch: Ja – es ist wirklich ein Zwiegespräch, d.h. unser Macher, der BWLer Thomas hat keine Bühne. Zudem entpuppt sich der „Magister philosophie“ von Hannes als abgeschlossenes Psychologiestudium mit Schwerpunkt AOW – Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. Hannes hat es bisher bevorzugt unter dem Deckmantel des Philosophen zu agieren, da so mehr „Narrenfreiheit“ hatte. Aber lauschen Sie selbst:
T Das aktuelle Tagesgeschäft läuft nicht, wie wir es brauchen.
H Findest Du, vielleicht hast Du ja Recht.
T Natürlich habe ich Recht, Ich zeige es dir gerne in meiner Excel Tabelle.
H Wir hatten gerade unseren Team-Workshop, wo ein paar tolle Ideen dabei waren.
T Genau, diesen Ausfall müssen wir erst einmal wieder reinbringen. Immerhin waren fünf Personen an diesem Tag nicht im täglichen Geschäft- D.h., die haben an diesem Tag nichts für die Firma getan, und dann dieser Trainer oder Coach auch noch – der war sicher schweineteuer. Den ROI kannst du echt vergessen.
H Ich kenn mich ja bei Eurem BWL-Slang mit Siegfried und Roy nicht so aus, jedoch finde ich, dass sich die Trainingsgeschichte echt auszahlen wird.
T Geh bitte – was soll das „Dem Kunden zuhören“, das hatten wir schon …
H … Wir hatten „hinhören, und auf gut wienerisch „ehm was auf Aug druck´n!“ oder wie unsere deutschen Freunde sagen würden „die Sache soll schnell wie möglich abschließen und eintüten“
T Genau, abschließen und eintüten – vor allem bei unseren Produkt Blau. Das hat schon einen Grund warum das unser Bestseller ist, und das wir auch so bleiben.
H Einige unserer Kunden meinen zwar das unser Produkt Grün auch schon ganz gut ist, und beim Produkt Rot hätten sie einige Verbesserungsvorschläge …
T Papperlapap. Der Kunde und Verbesserungsvorschläge – so weit kommt´s noch.
Input zur konstruktivistischen Wahrnehmung
Die Beobachterorientierung besagt, „alles was gesagt wird, wird durch einen Beobachter gesagt“ (Maturana, 1998). Jede Art der Kognition beruht auf einer Konstruktion eines Beobachters, und kann somit nicht mit einer externen Wirklichkeit übereinstimmen. Der Beobachter rückt somit in das Zentrum, und bindet das Erkannte stets an den Erkennenden.
Die Autonomie des Erkennenden ist der zweite Kerngedanke des Konstruktivismus, und schwächt die Idee der externalen Veränderungsmöglichkeit eines Menschen radikal ab. Unabhängig vom Schulen-Denken der Wahrnehmung (Konstruktivismus, Neurobiologie, Soziologie, Psychologie, usw.) besteht relative Einigkeit darin, dass die Beobachtung nicht notwendigerweise frei aber innengeleitet, eigenbestimmt, autonom und nach eigener Logik abläuft. Alles was gesagt wird, wird somit auf eine eigenwillige Art und Weise an bestehende Erfahrungen angeschlossen.
Der dritte Kerngedanke geht von einem Abschied von einer absolut gedachten Wahrheit aus. In Worten Heinz von Foersters könnte man auch von der Aufgabe der Idee der Objektivität sprechen, einer Wahnvorstellung, Beobachtungen ohne einen Beobachter zu denken. In jeder Beobachtung ist die subjektive Konstruktion des Beobachters, mit seiner eigenen Logik des Erkennens enthalten, und diese entsprechen somit nicht den Kriterien der Objektivität, in der Beobachtung ohne Einfluss des Beobachtenden stattfindet.
“Objektivität ist die Illusion, daß Beobachtungen ohne einen Beobachter gemacht werden können”
Heinz von Foerster
Wenn man die Postulate des Konstruktivismus ernst nimmt, kommt man zu einer anderen Einstellung. Der Fokus liegt demnach nicht mehr auf der Vermittlung, der Präsentation des (wahren) Wissens, also auf dem Inhalt, den so oft gewünschten 1-2-3-Best-Practice-Checklisten. Sondern das lernende System (Individuen, Gruppen, Teams) selbst ist es, das entscheidet, ob es sich etwas beibringen lassen möchte, und ob es sich auf einen Lernprozess – im Sinne einer Veränderung seiner bisherigen Annahmen – einlassen möchte. Das lernende System rückt somit in den Vordergrund, und wird zum aktiven und autonomen Konstrukteur. Geht man von der zentralen Annahme aus, das Lernen nicht erzeugt sondern nur ermöglicht werden kann, wandelt sich auch die Rolle des Trainers, Coach oder Change Agenten. Dieser kann eigentlich nur Lernbedingungen kreieren, welche sich am lernenden System orientieren – sofern man am Gelingen interessiert ist.
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Thomas trifft Hannes „zufällig“ an einer Bar und fragt Hannes zu seiner Einschätzung aktuellen Vorkommnissen in der Firma. Hannes ist zwar schon im Freizeitmodus, lässt sich jedoch auf das Gespräch ein:
T Hallo Hannes, schön Dich zu treffen
H Hallo Thomas – Detto!
T Du sag mal, wir sind ja jetzt auch quasi privat. Was meinst denn Du zum aktuellen Change Projekt
H Läuft erwartungsgemäß.
T Ähhm … Irgendwie klappt gar nichts, ich meine so wie ich es im Plan geschrieben habe, und die Mannschaft folgt mir überhaupt nicht.
H Ja absolut – wie gesagt: erwartungsgemäß.
T Jetzt aber wirklich …
H … Okay sorry, ich habe gerade einen „Irritationsagent“ gespielt.
T Was hast Du gespielt?
H Ich habe gerade den Irritationsagent gespielt, und Deine Antwort war dem Dialog entsprechend hilfreich.
T Ähhm?
H Es war für mich klar, dass eine empfohlene Veränderung nicht funktioniert. Das mögen soziale Organismen nicht.
T Jetzt im Ernst, warum war das für Dich erwartungsgemäß?
H Weil Du probiert hast ein soziales System durch Vorgabe, bei Dir eigentlich mehr Belehrung zu beeinflussen. Wenn Du mich fragst: Fast a bissi liab.
T Und warum soll das nicht funktionieren?
H Ihr BWLer seidst tlw. echt liab. Da muss ich wohl kurz Geburtshelfer bzw. eines sokratischen Maieut spielen. Also ich schick Dir mal einen Text per pdf, und dann red´ man nächste Woche.
T Passt und dann.
H Und falls du wen brauchst, mach ich dir den Moderator.
T Also wenn ich deine Text gelesen habe, kann ich das nächste Change planen – weil da ist ja sicher eine Checklist dabei.
H Nein, höchstens den nächsten Schritt.
T Also lerne ich eigentlich gar-nichts.
H Doch: Change Management ist ein Oxymoron
ENDE – Vorhang!
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Zu den Rollen der Change Agenten
Die erste Rolle des Change Agenten ist jene einer Art Geburtshelfer bzw. eines sokratischen Maieut wie es Pörksen (2014) nennt. Die Grundidee geht auf Sokrates zurück, und bezieht sich auf eine fragend entwickelnde Gesprächsführung. Der Change Agent fragt mehr als er antwortet, und versucht dabei die Lernenden/das lernende System in Aufruhr zu versetzen, ihren Geist anzuregen. In anderen Worten könnte man auch sagen, dass er die Lernenden/das lernende System aus der Komfortzone herausholen will. Der Begriff der Komfortzone bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man die eigenen bisher getroffenen Annahmen in Frage stellt, und es zulässt neue Information zu integrieren. Oder: Lernen stattfinden zu lassen.
Sollte die Verwirrung und Ratlosigkeit überhand nehmen, wechselt der Lehrende in die Rolle des Moderators. Er acht darauf, dass die Gesprächskultur eingehalten wird, dass Dialog stattfindet und mahnt nötigenfalls terminologische Genauigkeit ein. Er vertraut auf überraschenden Kräfte der Selbstorganisation der Lerngruppe/ des lernende System. Als Qualitätsmaßstab dient nicht mehr die Menge des durchgenommenen Stoffes/des erfüllten Change Vorhabens, sondern die Intensität der Beteiligung im Sinne der Erfüllung des dialogischen Prinzips.
Falls der Dialog in Richtung einer Lösung laufen sollte, tritt der Irritationsagent in Erscheinung. Er sollte die Lernenden / das lernende System dahingehend irritieren und wachsam halten, dass es keine einzig wahre Lösung geben kann. Er vertritt jedoch keinen eigenen Standpunkt, und stellt die anderen Meinungen oder den Konsens in Frage. Der Irritationsagent möchte die Vielzahl der Möglichkeiten aufzeigen, die hinter einer scheinbar eindeutigen Wirklichkeit stehen, welche sich mit Skepsis und Humor herauslesen lassen.
Die vierte Rolle ist jene des Forschers und Expeditionsleiters, welcher zwischen legitimen und illegitimen Fragen unterscheidet bzw. zu unterscheiden hat. Illegitime Frage sind – im Sinne Heinz von Foersters – Fragen, bei denen die Antwort im Vorhinein bereits bekannt ist. Demnach bestehen z.B. Tests und Prüfungen wo auswendig gelerntes Wissen abgefragt wird per se aus illegitimen Fragen. Legitime Fragen sind Fragen, wo die Antwort noch nicht bekannt ist und erst durch einen Schaffen und Gedankenprozess entsteht. In der Rolle des Expeditionsleiters versucht der Lehrende die Lernenden /des lernende System an legitime Fragen heran zu führen, welche durch die Beantwortung wiederum zu illegitimen Fragen werden und Bausteine für neue legitime Fragen bilden.
„People don´t resist change. They resist being changed”
Peter Senge
Change ist nicht mit Checklisten planbar, sondern braucht neue Herangehensweisen, neue Haltungen und Einstellungen – siehe #NewWork oder #NeueWirtschaft á la intrinsify.me . Change – im Sinne von NewWork – braucht ein Umdenken im grundlegenden Paradigma:
Weg vom System Kontrolle (Taylorismus),
hin zum System Vertrauen (Selbstorganisation).
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